Bevor ich im Februar dieses Jahres nach Schweden reiste, um an der Universität Malmö zu unterrichten, hatte ich einen Onlinekauf gemacht und über Klarna bezahlt. Klarna ist eine „Bank“, die mit dem Slogan „Jetzt kaufen und später bezahlen“ ohne Zinsen und Gebühren wirbt, und ich konnte ihre Dienste nutzen, obwohl ich dort nicht einmal ein Konto habe. Der Spiegel veröffentlichte vor kurzem ein Interview mit Klarna’s Gründer Siemiatkowski über das Thema „Wird es in zehn Jahren noch Bargeld geben?„. Es ist ein Unternehmen, das aus Schweden kommt. Obwohl diese beiden Ereignisse: mein Einkauf über Klarna und meine Reise nach Schweden nichts miteinander zu tun hatten, stellte sich mir die Frage, was Schweden so erfolgreich im digitalen Wandel macht. Hier sind meine Top 3 Gründe:
Bargeldloses Land
Schweden ist eindeutig auf dem Weg zu einer bargeldlosen Gesellschaft. Die meisten Läden, Cafés und Restaurants akzeptieren kein Bargeld und bitten die Kunden um Verständnis. Genauso wie Klarna meine Online-Transaktion reibungsloser machte, spürte ich eine gewisse Bequemlichkeit, mit Karte zu bezahlen. Ich musste mir keine Sorgen machen, ob ich genug Bargeld bei mir hatte oder mich mit Münzen herumschlagen. Zum Glück gab ich mein Geld nur für Kaffee und Essen aus, so dass ich nicht allzu viel darüber nachdenken musste, wie viel ich tatsächlich ausgebe. Damit dieses bargeldlose Prinzip funktioniert, muss man Strategien entwickeln, um einen finanziellen Überblick zu haben (oder das richtige digitale Tool haben) sowie Alternativen für den Fall haben, dass die Karte einen hängen lässt (so wie es mir wegen des Chip-Problems passiert ist).
Strategische Digitalisierung
Schweden hat nicht nur beschlossen, eine führende Rolle bei der Schöpfung digitaler Möglichkeiten anzustreben, wie es in ihrer 2017 Digitalstrategie heißt, sondern arbeitet konsequent auf die Erreichung ihrer Ziele hin. Ein von der OECD entwickeltes Instrument gibt einen visuellen Überblick über Trends und Policies sowie über Chancen und Herausforderungen in verschiedenen Bereichen wie Innovation, Jobs, Qualifikationen und Arbeit in der digitalen Wirtschaft. Mithilfe des Tools habe ich Schweden mit Deutschland verglichen und bin zu folgendem Ergebnis gekommen:
Quelle: https://goingdigital.oecd.org/en/ (Stand 10.02.2020)
Die farbigen Punkte stehen für Schweden und die schwarzen Punkte für Deutschland. Je höher die Punktzahl (Punkt zum äußeren Kreis), desto höher der Digitalisierungsgrad.
Im Allgemeinen scheint Schweden im Vergleich zu Deutschland digital weiter fortgeschritten zu sein. In Bezug auf Arbeitsplätze und Bildung verfolgt Schweden eine Politik des lebenslangen Lernens, die die gesamte Erwerbsbevölkerung berücksichtigt, während Deutschland sich eher auf (junge) MINT-Absolventen konzentriert. Schweden hat folgende Punktezahlen: 77 Punkte in der Kategorie „MINT-Absolventen“, 100 Punkte bei den öffentlichen Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik und 95 Punkte in der Kategorie „Arbeitnehmer, die eine Ausbildung erhalten“. Deutschland hat stattdessen entsprechend 100, 48 bzw. 81 Punkte.
Digitale Integration
Es scheint daher nicht überraschend, dass „die digitalen Unterschiede nach Alter, Bildung, Einkommen und Unternehmensgröße in Schweden geringer sind als in den meisten OECD-Ländern„.
Meinen Kollegen und Studierenden an der Universität Malmö zufolge erleichtert die Digitalisierung den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen und trägt zur Verringerung der Diskriminierung bei. Sie äußerten aber auch die Sorge, dass eine Gesellschaft die sich vollständig auf digitale Entscheidungsfindung verlässt, den „human touch“ verlieren kann. Ein Kollege drückte sich so aus:
„Wenn man den öffentlichen Dienst weder persönlich noch telefonisch erreichen kann und nur mit Bots sprechen kann, neigt man dazu, den deutschen Weg mit seinen Papierformularen und persönlichen Treffen zu bevorzugen„.
Foto oben: privat.
Toma
11. Februar 2020 at 17:17Sehr schön. Das Thema is sehr aktuell und ich hoffe dass du darüber weiter schreiben wirdst.
viele Grüsse