Die Corona-bezogene Situation eröffnet schnelle Perspektiven für die digitale Transformation. Wir erleben gerade eine Crashkursdigitalisierung und zwar in allen Bereichen: Wirtschaft, Arbeitswelt, Bildungswesen usw. Die Fachhochschulen waren einige der ersten, die eine digitale Umstellung des Semesters unternommen haben. Die Universitäten folgten. Viele neue Tools, insbesondere zum Halten von Online-Veranstaltungen wie Video-Konferenzen oder Webinare, kommen zum Einsatz. Aber auch bisher zur Verfügung stehende Tools, wie Wikis oder Audience Response Systeme erleben eine Renaissance.
Erfolgt durch die Umstellung der Lehr-Lern-Formate eine vollständige digitale Transformation der Hochschulbildung?
Welche qualitativen Veränderungen sind für das Studium der Zukunft notwendig?
Unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen sollten wir die Gelingsbedingungen der digitalen Angebote in den Blick nehmen.
Funktionierende Technik ist eine Voraussetzung
Dieses Argument mag banal klingen, aber eine funktionierende Technik ist die erste Voraussetzung für eine gelungene Digitalisierung. Die Hochschulen reagierten schnell auf die Krise und rüsteten digital auf, auch wenn das zusätzliche Ressourcen verlangte – Geld, das nicht einfach zur Verfugung steht. Die letzten Wochen haben uns gezeigt, dass es auch Studierende gibt, die keinen Zugang zu einer technischen Grundausstattung oder zu einem funktionierenden Internet haben. Die digitale Kluft birgt das Risiko, nicht gleichermaßen von der digitalen Reorganisation des Semesters profitieren zu können. In dieser Hinsicht sollte der angekündigte Nothilfefond des Bundes „für besonders in Not geratene Studierende“ eine kleine, wenn auch bei weitem nicht ausreichende, Hilfestellung bieten.
Digitale Bildung ist mehr als Beherrschung der Technik
Ein Hindernis für digitale Hochschulbildung war bisher der Mehraufwand, der mit der didaktischen Umstellung der Lehre verbunden war. Der Corona-Krisenmodus hat uns folgendes gezeigt: erstens, kann eine digitale Umstellung schnell ohne „wenn und aber“ gelingen; und zweitens, kann eine schlechte und langweilige Präsenzveranstaltung digital auch nicht gerettet werden. Das heisst, die didaktische Umstellung der Lehre verlangt zwar Mehraufwand – das hat aber nicht notwendigerweise was mit der Technik zu tun.
Hybrides Lernen nutzen
Die Digitalisierung bietet Möglichkeiten, die jetzt eine neue Qualität in unsere Bildung bringen könnte. Flexibilität, Zugänglichkeit und Ressourcenvielfalt sind einige der Vorteile der Digitalisierung. Studierende können davon profitieren, unterschiedliche Ressourcen mehrfach und orts- und zeitunabhängig abzurufen. Zudem wissen wir aus der Forschung, dass es praktisch unmöglich ist, aber auch nicht lernförderlich, 45 bzw. 90 Minuten (wie viel eine Lehrveranstaltung dauert) am Stück und ohne Abwechslung konzentriert zuzuhören. So könnten Studierende das Lernen ihrem eigenen Tempo anpassen.
Es kann auch für Lehrende von Vorteil sein, ihr Lehrangebot „asynchron“ zu gestalten. Manche Lehrende berichten, dass es sehr frustrierend sein kann, vor einem schwarzen Bildschirm sprechen zu müssen ohne die Reaktion des Publikums wahrnehmen zu können. Es könnte für beide Seiten nützlich sein, die Videozeit für Interaktion zu nutzen – etwas, das in den letzten Monaten allen Berichten zufolge gefehlt hat.
Gleichzeitig ist es wichtig, die Probleme des digitalen Lernens zu erkennen und neutralisieren. Im Vergleich zur Schule erfordert das Studium ohnehin einen viel größeren Grad an Selbstorganisation. Da zurzeit die persönliche Interaktion zwischen Lehrenden und Studierenden ausgeschlossen ist, ist die Selbstdisziplin, den Informationsflut zu beherrschen, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, Foren und andere Interaktionsmöglichkeiten fokussiert zu nutzen, wichtiger denn je.
Der Inhalt ist genauso wichtig wie die Unterrichtsform
Auch wenn das kaum thematisiert wird, kommt der Studieninhalt bei der digitalen Umstellung zu kurz. Wenn wir über die digitale Transformation in der Hochschulbildung sprechen, meinen wir vor allem die Methoden des Lehrens und Lernens. Dabei ist es genauso wichtig, einerseits, kompetent mit Ressourcen und einer Vielfalt an Daten umgehen zu können sowie andererseits, die Inhalte des eigenen Fachs angesichts des technologischen Wandels zu überprüfen. Dies kann nicht die Aufgabe der einzelnen Lehrenden sein. In Zukunft wird es notwendig sein, dass Hochschulen es zu einer strategischen Aufgabe machen, die digitale Kompetenz zu fördern und zukunftsfähige Studienangebote zu gestalten.
Lernzentrierte Digitalisierung
Die Debatte über die Digitalisierung, vor allem in den Bereichen des Datenschutzes und der künstlichen Intelligenz, handelt oft von einem europäischen s.g. menschenzentrierten Weg. Auch in der Hochschulbildung wird seit der s.g. Bologna-Reform in der europäischen Hochschulbildung in 1999 eine Orientierung vom lehrenden- zum studierendenzentrierten Studium angestrebt. Dies ist eine Daueraufgabe der Hochschulen geworden. Je früher es gelingt, die Lernergebnisse der Studierenden in den Vordergrund zu stellen, desto erfolgreicher wird die Vorbereitung der zukünftigen Arbeitskräfte auf eine sich rasch verändernde Arbeitswelt sein. Die Corona-bedingte Digitalisierung in den Hochschulen könnte ein hilfreicher Impuls für dieses Umdenken sein.
Foto: Gabriel Benois auf Unsplash.
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