Coronavirus, Agiles Arbeiten, Entschleunigung

Was haben sie miteinander zu tun?

Viele Veranstaltungen, insbesondere Messen und Konferenzen, werden in ganz Deutschland abgesagt. Das Risiko einer Verbreitung des Coronavirus wird als zu hoch eingeschätzt. Manche meiner Freunde, die zu keinen Tagungen reisen dürfen, berichteten von einem Gefühl der Erleichterung. Was ich interessant fand war, dass dieses Gefühl der Erleichterung nicht mit der Angst vor einer Ansteckung zusammenhing. Es hatte mehr mit der Möglichkeit zu tun, für einen Augenblick das „Hamsterrad“ zu verlassen, und zwar mit gutem Gewissen, da es nicht viel gibt, was man selbst beeinflussen kann. Trotz der Berichte über meist schädliche Auswirkungen auf die Wirtschaft (obwohl es auch positive Information in Zusammenhang mit einigen Produkten gibt, wie Desinfektionsmittel, Toilettenpapier, Dosennahrung usw.), scheint die entschleunigende Wirkung des Virus dem Einzelnen möglicherweise Vorteile zu bieten.

Ich bin vor kurzem von der Digitalkompetenz-Tagung zurückgekommen, auf der etwa 300 teilnehmende Personen aus dem akademischen, privaten und öffentlichen Sektor zusammenkamen, um über digitale Transformation in der Arbeitswelt, (digitale) Kompetenzen und die Rolle der Bildung zu diskutieren.

Während alle ihre Veranstaltungen angesichts des Coronavirus absagen, hält der Maschinenbausektor durch“ – so eine Key-Note Rednerin.

Ich wurde von den Organisatoren gebeten, eine Präsentation als Pecha-Kucha-Format zu halten. Pecha Kucha ist ein Präsentationsformat, das 20 Folien mit überwiegend Bildern enthält, die automatisch nach 20 Sekunden wechseln, d.h. die verfügbare Zeit für eine Präsentation beträgt 6 Minuten und 40 Sekunden.

Dies ist das Gegenteil von Entschleunigung, und doch war es eine gute Erfahrung:  

Handeln, Reflektieren, noch mal Handeln…

Es ist interessant, wie selbst Profis dazu neigen, vor dem Unbekannten nervös zu werden. Die Redner*innen, mit denen ich gesprochen habe, hatten, wie ich, keine Erfahrung mit diesem Format. Kein Wunder, dass wir uns alle unsicher waren, wie wir mit unserer Redezeit und der Wahrnehmung unseres Publikums umgehen sollten.

Und da es sich um ein so dynamisches Format handelt, ist es natürlich mit Stress verbunden. Also, Mantras wie: „Mut haben“ oder „Neues wagen“ in einem solchen Moment klingen wie einstudierte Klischees. Sicherlich hilft es dem persönlichen Wohlbefinden, sich selbstbewusster (und mutiger) einer Aufgabe zu stellen, da Selbstwirksamkeitserwartungen positiv mit Erfolg assoziiert werden.

Es ist sinnvoller zu fragen, was anschließend passiert. Nehme ich mir die Zeit, über mein Handeln zu reflektieren und einen Lerneffekt zu erforschen? Lernfähigkeit war übrigens auch die Hauptbotschaft der Konferenz!

In einem dynamischen Umfeld: weniger ist mehr?

Die Beiträge waren unterschiedlich, trotz desselben Formats.

Einige wählten das Tempo ihrer Geschichte unabhängig von den sich drehenden Bildern im Hintergrund, andere passten den Inhalt ihrer Rede an jedes Bild an. Einige verwendeten nur Bilder, andere hatten eine Mischung aus Bildern, Grafiken und Text.

Der erste Ansatz (freies Erzählen und abwechselnde Bilder) erlaubte einen gewissen Spielraum in dem deutlich begrenzten Zeitrahmen. Andererseits hatte man das Gefühl, dass die Folien und die Rede nicht übereinstimmen.

Der andere Ansatz (inhaltliche Anpassung und gemischte Folien) war klarer strukturiert, konzentrierte sich aber mehr auf das Format als auf die Botschaft.

Die gute Nachricht ist, dass unabhängig vom Ansatz alle Präsentationen automatisch nach 400 Sekunden endeten, so dass genügend Zeit für die Diskussion mit den Teilnehmenden blieb – etwas, das oft fehlt, da Redner*innen tendenziell überziehen.

Entschleunigung vs. Agiles Arbeiten

Diskussionen zum Wandel der Arbeit reichen von Themen wie New Work, Flexibilisierung, agiles Arbeiten usw. bis hin zu völliger Entschleunigung und Achtsamkeit. Die meisten von uns mögen jedoch immer noch nicht zwischen den Polen wählen und haben es schwer, sich auf diesem Kontinuum zu positionieren.

Was bedeutet es überhaupt, agil zu sein? Ist es das Arbeitstempo oder die Art der Methoden? Ist es die dauerhafte Verfügbarkeit?

Was bedeutet es, achtsam zu sein? Muss ich jeden Tag meditieren? Geht es darum, trotz oder gerade wegen der sich verändernden Arbeit bewusster zu leben?

Was ich aus meiner Pecha-Kucha-Erfahrung gelernt habe, ist, dass, wenn man eine Botschaft vermitteln möchte, man sich die Mühe machen muss, eine pointierte Argumentation um eine minimalistische Präsentation herum aufzubauen. Und die Anstrengung, das Beste aus den 6,4 Minuten zu machen, kann doppelt oder dreimal so hoch sein wie wenn Ihr alle Zeit der Welt habt, um zu präsentieren.  

Um auf mein Beispiel von vorhin zurückzukommen: Die Erleichterung meiner Freunde über den Ausfall der Reiseverpflichtungen legt nahe, dass wir diese Pause zur Reflexion nutzen können. Der nächste dynamische Zyklus wird unweigerlich folgen. 

Glücklicherweise haben wir die virtuellen Formate, um dabei in Kontakt zu bleiben.

Photo: https://xkcd.com/2276/

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