Digitale Kompetenzen und wie Du sie einschätzen kannst

Für viele von uns gehört es zum Alltag, online einen Termin zu vereinbaren, eine neue App auf unser Smartphone herunterzuladen oder eine Dienstleistung online zu buchen. Wir führen diese Tätigkeiten aus, weil sie in der modernen digitalen Welt eine Notwendigkeit sind. Die analogen Alternativen stehen oft nicht zur Verfügung.

Andererseits ist die Entwicklung einer App etwas, was die meisten von uns nicht können (obwohl dies mithilfe von Low-Code-Tools immer einfacher wird). Umgekehrt gibt es immer noch Menschen, die keinen Zugang zum Internet haben.

Der D21-Digital-Index misst das Kompetenzniveau der BürgerInnen in Deutschland im Umgang mit der Digitalisierung. Der aktuelle Kompetenzstand (2020/21) liegt bei 53 (von 100 Indexpunkten). Das scheint eine halbe Sache zu sein. Wenn man die wachsenden Anwendungsbereiche der Digitalisierung bedenkt, werden digitale Kompetenzen zunehmend benötigt.

In einem anderen Blog habe ich darüber geschrieben, dass wir digital fitter werden müssen, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Wir müssen sowohl über grundlegende digitale Fertigkeiten verfügen als auch daran arbeiten, technologische Fertigkeiten zu entwickeln.

Welche Fertigkeiten meinen wir also, wenn wir von digitalen Kompetenzen sprechen? Und gibt es eine Möglichkeit, herauszufinden, wie digital-fit wir tatsächlich sind?

Der Europäische Referenzrahmen für digitale Kompetenzen

Der Europäische Referenzrahmen für digitale Kompetenzen (DigComp) enthält 5 Anwendungsbereiche mit 21 Kompetenzen, mit denen sich jede Bürgerin und jeder Bürger ausstatten sollte. Er wurde von der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission entwickelt und ist seit 2016 in der aktuellen Form anwendbar. Ich denke, es ist ein wirklich nützliches Instrument, um zunächst festzustellen, über welche digitale Fertigkeiten wir sprechen.

Hier ist die zusammengefasste Liste:

AnwendungsbereichDigitale Kompetenz
Informations- und DatenkompetenzRecherche, Suche, Filterung von Daten, Informationen und digitalen Inhalten 
Aus- und Bewertung von Daten, Informationen und digitalen Inhalten 
Organisieren und Verwalten von Daten, Informationen und digitalen Inhalten
Kommunikation und ZusammenarbeitInteraktion, Kommunikation und Zusammenarbeiten mit Hilfe von digitalen Technologien (3)  
Teilhabe an der Gesellschaft mit Hilfe von digitalen Technologien 
Netiquette (Verhaltensregeln bei der digitalen Kommunikation) 
Verwaltung der eigenen digitalen Identität
Erstellung digitaler InhalteEntwicklung von digitalen Inhalten 
Fremde digitale Inhalte nutzen und bearbeiten 
Wissen über Copyright und Lizenzen 
Programmieren
SicherheitSchutz von Geräten 
Schutz von personenbezogenen Daten und der Privatsphäre
Schutz von Gesundheit und Wohlergehen in dem digitalen Umfeld 
Bewusstsein für die Umweltauswirkungen der digitalen Technologien
ProblemlösekompetenzBedürfnisse und technische Probleme identifizieren und technische Lösungen finden (2)
Einsatz digitaler Werkzeuge zur Innovation von Prozessen und Produkten 
Mit der digitalen Entwicklung Schritt halten
Quelle: DigComp 2.0

Die Liste ist umfangreich. Wir sehen, dass digital kompetent zu sein etwas wesentlich mehr heißt als im Internet zu recherchieren oder sich auf soziale Medien zu vernetzen.

Dem D21-Digital-Index zufolge sind die Menschen im Deutschland am fittesten, wenn es um Durchführung von Internetrecherchen (76%) oder Umgang mit Smartphones (80%) geht. Die Bereiche Erstellung digitaler Inhalte und Problemlösekompetenz „sind hingegen häufig von Unsicherheit bzw. geringeren Kompetenzen geprägt„. Nur 51% der Menschen können Office-Anwendungen nutzen, 28% haben Wissen über Copyright und Lizenzen, 12% können programmieren. Des Weiteren, können 46% der Menschen digitale Hilfsmittel für ihre Bedürfnisse finden, 40% können sich digitale Kompetenzen selbst aneignen und 34% können anderen bei Computer-Problemen helfen.

Also wie können wir das Niveau unserer digitalen Kompetenzen am besten einschätzen?

Der DigComp 2.1 hat eine Antwort darauf. Er identifiziert 8 Kompetenzniveaus:

NiveauKomplexität der AufgabeAutonomieKognitive Domäne
1 GrundstufeEinfache AufgabenMit AnleitungErinnern
2Einfache AufgabenSelbstständig und bei Bedarf mit AnleitungErinnern
3 MittelstufeKlar definierte und routinemäßige Aufgaben und unkomplizierte ProblemeUnabhängigVerstehen
4Aufgaben und genau definierte, nicht routinemäßige ProblemeUnabhängig und nach meinen BedürfnissenVerstehen
5 Fortgeschrittene StufeUnterschiedliche Aufgaben und ProblemeAndere leitenAnwenden
6Am besten geeignete AufgabenSich auf andere in einem komplexen Kontext einstellenBewerten
7 Hoch-spezialisiertKomplexe Probleme mit begrenzten Lösungen bewältigenIntegrieren, um zur beruflichen Praxis beizutragen und andere anzuleitenErstellen
8Lösung komplexer Probleme mit vielen interagierenden FaktorenVorschläge für neue Ideen und Verfahren in diesem BereichErstellen
Quelle: DigComp 2.1

Wie wird der DigComp verwendet?

Kennst du den Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GEFR)? Er findet bereits eine breite Anwendung, insbesondere in Lebensläufen. Er definiert die Sprachkenntnisse in den Bereichen Verstehen, Sprechen und Schreiben und beschreibt sechs Kompetenzstufen: Grundkenntnisse (A1, A2), selbständige Sprachverwendung (B1, B2) und kompetente Sprachverwendung (C1, C2). Die Stufen sind klar definiert, es gibt Tests, die das Leistungsniveau bestimmen und da es sich um lebende menschliche Sprachen handelt, können wir zumindest intuitiv einschätzen, ob wir Anfänger, Fortgeschritten oder Experten sind.

Um den DigComp besser zu verstehen, können wir einen Vergleich mit dem GEFR heranziehen. Wie der GEFR beinhaltet der DigComp fünf Anwendungsbereiche (Informations- und Datenkompetenz, Kommunikation und Zusammenarbeit, Erstellung digitaler Inhalte, Sicherheit, Problemlösung). Beim GEFR sind das Hören, Lesen, An Gesprächen teilnehmen, Zusammenhängendes Sprechen und Schreiben.

Wie bei Sprachen ist es möglich, in einem Bereich (z. B. Lesen) über fortgeschrittene und in einem anderen (z.B. Schreiben) über gute Kenntnisse zu verfügen. Die Tatsache, dass ein Anwendungsbereich im DigComp aus mehr als einer Fertigkeit besteht macht die Bestimmung des Kompetenzniveaus komplizierter. So könntest du beispielsweise im Bereich „Kommunikation und Zusammenarbeit“ Experte für „Interaktion, Kommunikation und Zusammenarbeit mithilfe digitaler Technologien“ sein, die „Verwaltung der eigenen digitalen Identität“ ist allerdings nicht deine Stärke.

Außerdem enthält der DigComp eine differenziertere Unterscheidung zwischen den Kompetenzstufen (8 Stufen anstatt 6). Wann kann ich mich als fortgeschritten und wann als hoch spezialisiert betrachten? Was ist der genaue Unterschied zwischen einer fortgeschrittenen Stufe 5 (Anwenden) und einer fortgeschrittenen Stufe 6 (Bewerten)?

Die Tabellen oben helfen bei der Erfassung der eigenen digitalen Kompetenzen, beispielsweise im Lebenslauf. Auch wenn ein gewisser Aufwand für die Umsetzung erforderlich ist, würde ich den DigComp dennoch als einen der besten und umfassendsten Kompetenzrahmen, den es derzeit gibt, empfehlen.

Einige praktische Beispiele für die konkrete Umsetzung findest du in dieser Veröffentlichung (nur auf Englisch).

Mithilfe eines Online-Selbsttest-Tools kannst du deine digitalen Kompetenzen darstellen.

Die Europäische Kommission hat für 2022 eine Aktualisierung des DigComp angekündigt. Es bleibt zu hoffen, dass deren Anwendung damit vereinfacht wird.

Update 2022: hier findest Du die Aktualisierung als DigComp 2.2. (nur auf Englisch verfügbar).

Foto oben: Screenshot DigComp 2.0, überarbeitet auf Deutsch (MS)

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